Er gehört zu den großen europäischen Erzählern der Gegenwart und zum ungarischen Gestirn, das mit den im vergangenen Jahr verstorbenen Imre Kertész und Péter Esterházy Weltliteratur als wunderbare Zumutung und Zeugnis schafft. In Romankonstruktionen von höchster Spannkraft leuchtet Péter Nádas die großen geschichtlichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts aus, genauso wie die Naherfahrungen des Einzelnen in ihrer existenziellen Dimension. Das zeigt sich u.a. in dem viel gefeierten „Buch der Erinnerung“ (1986) oder dem anderen Opus maximum „Parallelgeschichten“ (2005), wo in einer Fülle an Geschichten familiäre und europäische Schicksale verhandelt werden.
Darüber hinaus macht eine große Metaebene das Thema der Körperlichkeit und Sexualität spürbar. Diese virtuose und dabei so subtile Zeichnung voll poetischer Energie beschreibt den Körper als Schauplatz komplexer Erinnerungen und Sehnsüchte und hat Péter Nádas die Zuschreibung des „Mystikers alles Sinnlichen“ eingebracht. Dies geschieht nicht ohne analytischen Scharfblick und nicht ohne diskursives Bewusstsein, für das körperliche Erfahrungen das gesellschaftliche Ich überschreiten und weit über politische und ideologische Grenzen hinausgehen. In seiner reflexiven Tiefe und der ungeheuren Kraft seiner Personengestaltung wird Péter Nádas vielfach neben Proust gestellt. Wenn dessen großer Roman am Beginn einer literarischen Moderne steht, dann mag diese bei Péter Nádas ihre Vollendung finden.
Péter Nádas zu Gast zu haben, wo auch immer, in Berlin, Budapest oder in Meran, ist stets ein Ereignis. Nun hat er seine Memoiren geschrieben, und wer ihn kennt, wer seine Romane und Essays kennt, weiß, dass sie immer mit einer besonderen Perspektive aufwarten: einer Sprache, die durch Subjektivität, psychologische Durchdringung und also Objektivierung der Subjektivität besticht und verführt, der Kunst, uns das Gefühl zu geben, er spräche auf hohem Niveau und aus kühler Distanz direkt zu uns. Sprache der Vernunft.
Die Memoiren sind noch unter Verschluss, das bleibt auch so bis zu ihrer Premiere an einem Budapester Theater am 5. April. Aus der bald abgeschlossenen Übersetzung ins Deutsche durch Christina Virágh wird Péter Nádas am 2. Mai erstmalig lesen – ebenfalls eine Premiere -, noch bevor sie im Herbst 2017 als Buch vorliegt. Wie dem aus sei, seinem hohen Anspruch steht unsere hohe Erwartung gegenüber, wir dürfen davon ausgehen, dass es nicht um Legendenbildung um die eigene Person oder Färbung von Tatsachen geht, sondern um die Komponenten puren Erlebens – eine Reise zu den Gründen, Abgründen, den Vorgeschichten und deren Konsequenzen.
Die Veranstaltung wird mitgetragen von Maria Niederstätter.