7. Juni 2013
Kunst Meran

Am 7. Juni 2013 jährt isch zum 40 Mal der Todestag von Christine Lavant. Ihre Dichtung, gewachsen aus „Wermut und Wehmut“ bezeichnete Thomas Kling als „Denkbewegung ins Unberechenbare“ und in der Tat vermag diese Poesie das Machtvolle seelischen Geschicks so präzise und scharf auszuleuchten, dass sie zu einem literarischen Tafelbild des Menschlichen wird.

Zwischen Klarheit und Klage, Metaphernreichtum und Gegenständlichkeit entfalten die Gedichte der Lavant eine Faszination, die in der deutschsprachigen Lyriklandschaft des 20. Jahrhunderts ohnegleichen dasteht. Der literarische Betrieb zeigte sich von der kompromisslosen Kraft und Statur größtenteils überfordert und apostrophierte die Autorin bald als Epigonin Rilkes, bald als Prototyp der im literarischen Ausdruck nach Heilung suchenden Schmerzensfrau. Tatsächlich hat Lavant schon früh das Schicksal als Scheusal an sich erfahren müssen und litt lebenslang an den Folgen schwerer Krankheiten.

Doch wer meint, das Leid sei ihr Los gewesen und ihre Kunst nichts anderes als ein Befreiungsschlag, der verkleinert die Originalität und verkennt die visionäre Vitalität dieser Autorin, die „ohne Meister“ zu einer Sprache gefunden hat, die nichts Ungefähres duldet oder durchgehen lässt und in keine romantisch-expressionistische Schablone passt. Formal versiert und belesen und doch verwurzelt im „brennenden Leben“, verknüpfen Lavants Gedichte und Prosastücke die archaische Drastik volkstümlicher Bilderwelten mit rigoroser Bannkraft des Gedankens uns genügen dabei den äußersten Ansprüchen geradezu instinktiv. Vor allem die fast durchgehend gereimten, poetischen Texte tasten sich mit einer Nachdrücklichkeit, die der Erinnerung die Augen öffnet, an eine in sch stimmige „Bilderschrift“ heran, die wir, mit Thomas Bernhard, als „elementares Zeugnis“ bestaunen und die mehr denn je zu entziffert zu werden verdient.

Christine Lavant

Am 4. Juli 1915 wird Christine Lavant als neuntes Kind des Bergarbeiters Georg Thonhauser und seiner Frau Anna im Kärntner Lavanttal geboren. Die Familie lebt unter ärmlichen Verhältnissen und die schweren Erkrankungen, an denen Christine Lavant seit frühester Kindheit leidet, begleiten sie, die als Strickerin ihr Geld verdient, das ganze Leben.
Nachdem ihr „alles, was weh tut, schon geschehen ist“, wie sie einer Freundin schreiben wird, scheint ihre Lebenskraft von einer untrüglichen Furchtlosigkeit und ihre Schreibkraft von einer Kompromisslosigkeit, die große künstlerische Eindringlichkeit bezeugt.

Es entstehen Erzählungen wie „Das Wechselbälgchen“, das berührend und beklemmend die Geschichte von Zitha, der unehelichen Tochter einer Bauernmagd, erzählt; körperlich entstellt und geistig beeinträchtigt, ist sie als Ausgegrenzte in einem Dorf ihrem Schicksal ausgeliefert. Oder die „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“, die scharfsinnig und unbeirrbar konsequent Erfahrungen in der Nervenheilanstalt wiedergeben.

Der Vermittlung von Paula Grogger, einer einflussreichen Freundin, ist es zu verdanken, dass 1948 Gedichte und Erzählungen im bedeutenden Brentano Verlag publiziert werden.
In den 50er Jahren kommt Christine Lavant in Kontakt mit der Künstlerwelt und mit Vertretern der Wiener Avantgarde. Sie pflegt enge Freundschaften in Klagenfurt und Wien und fällt in den Gesellschaften, in denen man lebe „wie die Sterntalerkinder“, durch ihren sprühenden Geist und Witz auf. Von einer souveränen, äußerst sensiblen, mitunter schalkhaften Wandlungsfähigkeit zeugen auch die zahlreichen Briefe, die Lavant wie besessen schreibt.
In dieser Zeit wird sie Autorin des O. Müller Verlags in Salzburg, es erscheinen „Wirf ab den Lehm. Gedichte“ oder der Erzählband „Nell“. 1964 erhielt Christine Lavant zum 2. Mal den Georg-Trakl-Preis und 1970 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. 1972 veröffentlicht der Deutsche Taschenbuch Verlag die Bände „Gedichte“, „Bettlerschale“, „Spindel im Mond“ und „Der Pfauenschrei“. Begleitet werden die Erfolge jedoch von wiederkehrenden Krankheiten, von einem Schlaganfall und längeren Aufenthalten im Krankenhaus.

Am 7. Juni 1973 stirbt Christine Lavant im Landeskrankenhaus in Wolfsberg.

Programm

16.00: Begrüßung: Theresia Prammer und Christine Vescoli
Christine Vescoli: Zur Erinnerung an Christine Lavant

16.30: Orsolya Kalasz: Ich habe das Gedichte von Christine Lavant gelesen

17.00: Monika Rinck: Das allgewusste Leid, die altbekannte Freud

Pause

18.00: Ausgewählte Gedichte
Lesungen mit Monika Rinck und Orsolya Kalasz und Kommentare von Theresia Prammer

19.00: Film: Zu Gast bei Christine Lavant. Ein Schulfernsehfilm des Österreichischen Rundfunks (1968)
Regie: Karl Stanzl; Buch: Jeannie Ebner, Hermann Lein: Kamera: Diester Gessl; Produktion: Otto Kamm

19.30: Buffet

20.30: Das Wechselbälgchen. Erzählung (Wallstein Verlag 2012)
Gelesen von Christ Pichler und kommentiert von Klaus Amann

Kuratiert von Theresia Prammer und C

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