Jürg Halter
AUS »Nichts, das mich hält« (2008)
DAS GESPRÄCH
Vor nicht allzu langer Zeit
trafen sich Suizid und Heldentod
in einer Konkurs gegangenen Bar
zum Gespräch über den Nutzen der Sehnsucht.
Noch hatte keiner der beiden das Wort ergriffen,
da löste sich von der Decke der Kronleuchter.
Begrub die zwei Tunichtgute unter sich. –
Das Gespräch, das sie führten, hält bis heute an.
SPIEGELBILD
Wenn ich die Augen schließe,
hörst du auf zu sein?
Lies mir von den Lippen.
Wenn ich lange schon schweige,
vernimmst du meine Stimme noch?
Lies zwischen meinen Zeilen.
Lausche weiter.
Doch sag mir, Spieglein an der Wand: Wie lange noch
willst du mich eigentlich beweisen?
KERNFUSION
Wir drehen uns im Kreis,
ich, Proton, du, Neutron.
Kommen zu keinem
gemeinsamen Stillsein.
Wenn ich über etwas schweige,
schweigst du über etwas anderes.
Wir spiegeln uns gegenseitig,
bis sich nichts mehr regt in uns.
Wer bin ich und wer bist du?
Unsere Fusion bleibt aus.
Neue Namen müssen her.
Sind nur Schall und Rauch.