2015 war der palästinensisch-libanesische Dichter Mazen Maarouf Literaturstipendiat in Lana, wo er zwei Monate verbrachte. Seitdem lebt er wieder in Beirut.
Seine Gedichte und Kurzerzählungen, lapidar und knapp wie Epigramme und aufgeladen mit einer eigenwilligen, nicht weniger leuchtenden Bildersprache, erzählen von den endlosen kriegerischen Konflikten und ihren Schrecken, sie erzählen vielfältig und ambivalent von Vertreibung und Exil und von existenziellen Erfahrungen, die Abschied, Fremde und Entfremdung in einer fast erschütternden Schwerelosigkeit darstellen. Darin haben auch die Feinheit einer diskreten und unaufdringlichen Nonchalance Platz und der melancholische Blick auf die unerbittliche Flüchtigkeit der Liebe oder die Unbehaustheit eines verwirrten Herzens.
In Meran wird Mazen Maarouf von Übersetzern des „Versatoriums“ vorgestellt. Neben der Präsentation von Gedichten und Kurzgeschichten aus den letzten Jahren wird ein Gespräch die Reflexion über das aktuelle Thema von Flucht und Migration zur Sprache bringen, ohne es von der Fähigkeit der poetischen Auseinandersetzung abzukoppeln. Nicht zuletzt werden auch Fragen und Erfahrungen der Übersetzung diskutiert.
Ermüdung
Mein Herz hat,
wie das aller Menschen
eine Tür.
Doch ist sie ganz ausgeleiert
Weil du so oft ein-
Und ausgegangen bist.
(Mazen Marouf; aus dem Arabischen von Stephan Milich)
Freiwillige Gefangenschaft im siebten Stock (habs infiradi)
Eines Tages
werde ich meine Lippen entfernen
und sie wie eine Süßigkeit verspeisen
Eines Tages
werde ich meinen Brustkorb entfernen
denn ich bin kein Waisenhaus
um die Engel zu versammeln
Eines schönen Tages
werde ich die Tür entfernen
und an ihre Stelle treten
um mich selbst daran zu hindern
hinauszuspringen in den Schlund der Welt
(Mazen Marouf; aus dem Arabischen von Stephan Milich)