Dass die Wahrheit nicht etwas ist, das wir irgendwo abholen und vertreten können, sondern dass etwas durch uns hindurch gegangen sein muss, um wahr zu sein“
Während Sergio Raimondi, an Brecht und Pasolini geschult, mit einer Zivilpoesiean der Literatur des politischen Engagements festhält, wird sich in die ästhetische Form und Haltung von Tomasz Różyckiaus Polen und Julian Tânase aus Rumänien die Frage nach den Weltbezügen anders einschreiben. Eher als explizit politisch sich zu äußern, brechen sie mit Erwartungen und Wertungen, die einem politischen Schreiben Aktualitäten und Appelle abverlangen. Dann verlegt sich Literatur, so reich an Anspielungen und Anklängen wie bei Różycki, auf die Reflexion düsterer Vergangenheiten und geschichtlichen Wandels, in der die Skepsis nicht Methode, sondern stille Betrachtung ist. Oder sie sucht „Möglichkeitsformen des Unmöglichen“ (Julian Tânase) und findet sie im heiter surrealen, im vergnüglich paradoxalen Durchspielen des Traums, der an der Umkehrung gewohnter Ordnungen die Verlängerung geschichtlichen Wandels irritierend vorwegnimmt.
Den „politischsten aller deutschen Autoren der letzten Jahrzehnte“ nennt der Dichter Christoph Hein hingegen den 1939 in Dresden geborenen Schriftsteller Volker Braun, einen „verlässlichen Begleiter und Chronist der stattfindenden Geschichte, vor und nach der Wende.“ In der Tat erweist sich Volker Braun mit seinem umfassenden Werk als wachsamer Zeitzeuge, der den Blick für die großen gesellschaftlichen Fragen im sozialistischen Osten nie ideologisch verbrämt und im kapitalistischen Westen nie eingebüßt hat. Empört und heiter, unruhig und scharfsinnig überantwortet er ihn vielmehr einem dialektischen Denken und erneuert darin immer wieder Frage und Form einer geschichtsphilosophisch angetriebenen Poesie. Denn: „das fertige denken kann nur – fertigmachen.“
Do, 23. August 2018
18.00: Julian Tânase: ABGESAGT!
19.00: Tomasz Różycki: Zwischen uns und der Welt
Einführung und Übersetzung: Marlena Breuer
20.00: Volker Braun: „Handbibliothek der Unbehausten“ (Neue Gedichte. Suhrkamp Verlag 2017)
Einführung und Gespräch: Katrin Hillgruber