Zur Eröffnung der Frühlingstagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Bozen lesen Rut Bernardi, Sabine Gruber, Sepp Mall, Josef Oberhollenzer, Greta Maria Pichler und Stefano Zangrando.
Wurde »Grenze« ursprünglich eher als Trennlinie eines physischen Raumes verstanden, so ist der Begriff heute in nahezu jedem Bereich der menschlichen Existenz zu finden: Die Rede ist von sprachlichen, kulturellen, psychologischen, politischen, kulinarischen … Grenzen. Das Trennende eröffnet aber auch Möglichkeiten: Erst durch ein Gegenüber kann ein (Selbst-)Verständnis entwickelt werden, das sich durch Unterschiede und Ähnlichkeiten bestimmt. Je bewusster und differenzierter wir also unterscheiden, desto größer sind auch die Chancen für eine Verständigung, desto weiter reicht unser Blick.
Bozen in Südtirol ist in diesem Jahr Tagungsort der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. An drei Tagen laden interessante und prominent besetzte Veranstaltungen dazu ein, mehr über Grenzen zu erfahren und den Umgang mit ihnen zu überdenken:
Lesungen und Gespräche mit in Südtirol beheimateten Autorinnen und Autoren, Vorträge und Diskussionen über Deutsch in Europa, ebenso eine Podiumsdiskussion über persönliche »Grenzerfahrungen« mit Mitgliedern der Akademie aus verschiedenen Ländern. Den Schlusspunkt der Tagung bilden die Verleihung des Friedrich-Gundolf-Preises für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland und des Johann-Heinrich-Voß-Preises für Übersetzungen ins Deutsche. Beide Preise werden alljährlich im Frühjahr von der Akademie vergeben; sie würdigen herausragende Leistungen auf ihrem Gebiet.
Zum Programm: https://www.deutscheakademie.de/de/aktivitaeten/tagungen/2025-04-03/fruehjahrstagung-in-bozen
Zwiesprache, dreisprachig?
Ein Land an der Grenze mit Dialekten, Flüchen, Reimen und Liedern. Drei Sprachen und mittlerweile über weitere 100 dazu, die in den Tälern zwischen Bergen, Seen und Reben gesprochen werden. Die drei sind jederzeit da, sie sind im Ohr, im Amt, im Laden und in den Schulen, sie sind auf den Straßen und Schildern und in den Köpfen. Sie laufen neben- und ineinander und legen denen, die sie sprechen, Wörter der anderen Zunge in den Mund. So loten sie ständig das Verhältnis zueinander aus und erproben, wie Welt durch zweierlei, dreierlei Maß erfahrbar wird. Bewegen sie darin Grenzen?
Wie diffizil diese sind, weiß man in diesem Land, das seit Ende des Ersten Weltkriegs zu Italien gehört. Man weiß, wie kontaminiert seine geschichtlichen und politischen Felder sind. Eines davon ist die Sprache. Daher weiß man auch um die Prägung einer Region der Minderheiten, die darin erfahren ist, im Gespann der Sprachen zu leben und Stück für Stück ein Selbstverständnis daraus zu gewinnen.
Einen Überblick in die dreisprachige Literaturlandschaft Südtirols gibt der Eröffnungsabend am 3. April 2025 mit Rut Bernardi, Sabine Gruber, Sepp Mall, Josef Oberhollenzer, Greta Maria Pichler und Stefano Zangrando.
Moderation: Robert Huez und Christine Vescoli