Ein Liederzyklus mit Gedichten und Texten aus Briefen von Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Für Flöte, Horn, Schlagzeug, Violine, Violoncello, Alt, Countertenor und eine Sprecherin. Nach einer Idee von Elmar Locher. Von Herbert Grassl.
Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann (1926-1973) und Paul Celan (1920-1970), 2008 ediert, gehört zu den wichtigsten Zeugnissen der deutschen Nachkriegsliteratur. Er vereinigt die dramatischen Stimmen zweier Liebender, die sich verfehlen, die von je unterschiedlichen „dunkeln“ Vergangenheiten (Opfer – Täter) sich zuschreiben, die die Differenz durch Spracharbeit in einen nicht enden wollenden Dialog setzen, in den sich Verstummen, Missverständnis, gegenseitiges Sich-Verletzen und zugleich die utopische Hoffnung des Gelingens-Wunsches und das Phantom des je anderen schreiben. Es gibt Momente des Schweigens, erregtes Wiederaufnehmen der Beziehung über die Verletzungen hinweg. Es gibt das konstante Festhalten am Werk des anderen, für das Bachmann früher, Celan später einsteht. Und es gibt, nach der Rezension Günter Blöckers von Celans Sprachgitter, die Celan als antisemitische Hinrichtung und als Schändung des Grabes der Mutter liest, Celans Notschrei an Max Frisch: „Hitlerei, Hitlerei, Hitlerei. Die Schirmmützen.“ (23.X. 59) und Ingeborg Bachmann. Und es gibt die Antwort von Max Frisch (6.11.59), nach viermaligem Ansetzen, die Paul Celan nur als weitere Verletzung verstehen kann. Es gibt den nicht abgesandten Brief von Ingeborg Bachmann (27.9.1961), in dem sie fragt: „Wer bin ich für Dich, wer nach soviel Jahren? Ein Phantom, oder eine Wirklichkeit, die einem Phantom nicht mehr entspricht.“ Sie erklärt freilich auch: „Du willst das Opfer sein, aber es liegt an Dir, es nicht zu sein […] Aber das ist dann Deine Geschichte und es wird nicht meine Geschichte sein, wenn Du Dich überwältigen lässt davon.“
Im Briefwechsel sind Gedichte eingeschrieben, so eröffnet Paul Celans In Ägypten diesen. Auf dieses Gedicht wird Ingeborg Bachmann später in Die gestundete Zeit antworten mit „Drüben versinkt Dir die Geliebte im Sand“. Im Zeitraum um und nach der erneuten Begegnung in Wuppertal (1957) mehren sich die Briefe, in denen Gedichten, die Celan Bachmann zukommen lässt, alleine die Sprache anvertraut wird: Weiß und Leicht (17.10.1957) Rheinufer (18.10.1957) Köln, Am Hof (20.10.1957). Der Briefwechsel: auch ein Dokument geheimer poetischer Korrespondenzen.
Nicht nur die Affinität Ingeborg Bachmanns zur Musik (Libretti für Hans Werner Henze) legt eine Komposition des Briefwechsels nahe. Es ist das Mit- und Gegeneinander affektgetönter Stimmen, die sich treffen und verfehlen. Es ist der Ostinato-Ton der unterschiedlichen schmerzhaft-zerreißenden Herkunft, der sich in die Stimmen mischt. Es ist der dräuende Rumor des Literaturbetriebs, der vornehmlich in der Goll-Affäre den Rhythmus der angstbesetzten Existenz grundiert. Und dann das Schweigen, das ohne Sprache lauter spricht als diese es je und jäh vermöchte. Sprache zurückgenommen in die Auslassung. Gesangspassagen wechseln sich ab mit der Erzählstimme, der rezitierenden. Instrumentalpassagen versuchen dem Sprachlosen Sprache zu geben. …. (Elmar Locher)
Hofhaymer Vokal – und Instrumentalensemble
Bernadette Furch (Alt), Bernhard Landauer (Countertenor), Vera Klug (Flöte), David Fliri (Horn), Philipp Lamprecht (Schlagwerk), Anna Lindenbaum (Violine), Dieter Nel (Violoncello) Prof. Kai Röhrig (Dirigent), Bettina Rossbacher (Rezitation).
In Zusammenarbeit mit Pauls Sakral. Am 1. Oktober findet die 2. Aufführung des Werks im Toihaus in Salzburg statt.