Sein langes kreatives Leben über führte Ingmar Bergman Arbeitstagebücher: kleine Spiralhefte, in denen er erste Entwürfe seiner Geschichten niederschrieb und auch während der Arbeit an einem Film oder Buch weiter Notizen machte. In seinen autobiografischen Texten zitiert er ab und zu aus diesen Notizen – ansonsten blieben sie zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht.
Diese Auswahl aus den Heften bietet nun einen einzigartigen Einblick in seinen kreativen Arbeitsprozess, zeigt aber auch den Menschen und Künstler Bergman noch einmal ganz neu. Hier haben wir teil an einer besonderen Form des autofiktionalen Schreibens, das stets um den eigenen Schaffensprozess kreist. Und so ist es nicht zuletzt ein Bericht darüber, wie ein großer Künstler seine unvergesslichen Geschichten und Bilder zum Leben erweckt.
Ingmar Bergman: Ich schreibe Filme.
Herausgegeben, aus dem Schwedischen übersetzt und mit einem Nachwort von Renate Bleibtreu.
Buchvorstellung mit Renate Bleibtreu
Im Anschluss an die Buchvorstellung, 20.00: Das siebente Siegel (Schwarz-Weiß-Film von Ingmar Bergman, 1957)
Der Ritter: (…) Und sag mir bitte noch etwas: Warum kann ich Gott in mir nicht töten. Warum lebt er schmerzhaft weiter, obwohl ich ihn verfluche und aus meinen Gedanken verbannen will. Warum bleibt er trotzdem eine höhnisch täuschende Realität, die ich nicht loswerde. Kannst du mir das sagen. Immer dies unklare In derSchwebeHalten, dieses Unwirkliche und Unerklärli che. Ich will Kenntnis haben. Nicht glauben. Nicht Annah men, sondern klare Worte. Ich will, dass Gott mir die Hand gibt, sein Gesicht enthüllt, zu mir spricht.
Der Tod: Und er schweigt.
Der Ritter: Er schweigt nicht nur. Er hat sich von mir abgewandt. Ich rufe ihn im Dunkeln, doch anscheinend ist da keiner.
Der Tod: Vielleicht ist da keiner.
Der Ritter: Dann kann man nicht leben. Kein Mensch kann leben mit Dem Tod vor Augen, im Wissen um die absolute Nichtigkeit von allem.
Der Tod: Dann gibt es nur einen Weg.
Der Ritter: Welchen.
Der Tod: Mach dir ein Bildnis von deiner Angst, fall davor nieder und bete es an, nenn es Gott oder Auferstehung oder die unsterbliche Seele. Ich sehe keinen
andren Weg.
Der Ritter: Heute Morgen kam Der Tod zu mir. Er gab mir ein paar Stunden Aufschub, wir spielen eine Partie Schach. Diese Frist gibt mir Gelegenheit, etwas Dringendes zu klären.
Der Tod: Was kannst du denn jetzt noch klären.
Der Ritter: Ich weiß nicht. Das ist ja das Grauenhafte. Mein Leben war ein einziges sinnloses Nichts, Jagen, Fahren, Palavern, ohne Sinn und Bezug. Das sehe ich jetzt. Darum möchte ich eine einzige Sache machen, die Sinn ergäbe, wie ein Zeichen Gottes, ein Lächeln oder kleines Mir-Zunicken.