Seit einer Weile beanspruchen die „Spoken-Word-Dichtung“ und der Poetry Slam in der zeitgenössischen Poesie ein ganz und gar eigenständiges Territorium; dabei setzen sie mitunter gerade auf Abgrenzung zum elitären Literaturbetrieb und zu jenen Poetiken, die durchwegs den Traditionen der Kunst als selbstverständliche und unabdingbare Künstlichkeit folgen. Im literarischen Gefecht des Poetry-Slams stehen also exponiert das gesprochene, alltägliche Wort und das mündliche Entertainment.
Bei wenigen Poetry-Dichtern ist es nun zu erleben, dass sie diese Trennung zwischen Künstlichkeit und Alltäglichkeit, zwischen populärem und klassischem Bewusstsein spielerisch überwinden und in nahezu ursprünglich lyrischer Manier den Geist der geschriebenen mit dem Geist der mündlichen Sprache verbinden. Drei exzellente Beispiele dieser erneuerten Kunst treten bei Transart in Zusammenarbeit mit Literatur Lana im Parkhotel Laurin auf: Die Schule der Unruhe mit Jürg Halter (*1983) aus der Schweiz, Nora Gomringer (*1980) und Bas Böttcher (*1974).
Wie kaum andere verstehen es die drei Poeten je, der Sprache einen lautlichen und rhythmischen, einen verzückend oder erschreckend stimmgewaltigen Körper mit aufgeladenen semantischen Feldern zu verleihen und es dabei nicht zu verabsäumen, auch eine Spur Straßendreck unter den Nägeln zu haben, wie Thomas Kling von jeder geschriebenen wie von jeder gesprochenen Dichtung verlangte. Nach unterschiedlicher Herkunft führen sie ein Ernstnehmen jenes Sprechens vor Augen, das einem Rauschen im Ohr ebenso gerecht wird wie dem Bedeutungsspeicher, der den Wörtern mitgegeben und mitliefert ist und ohne dessen Kenntnis moderne Poesie nicht denkbar ist.
Wenn Nora Gomringer singt, psalmodiert oder seufzt, wenn Jürg Halter in strenger Rhythmik, Stimm- und Schnitttechnik Wort und Klang zelebriert, wenn Bas Böttchers Reden lyrische Form und mediales Format ineinander schneidet, dann geschieht es auf eine solche Weise, die in der ältesten Vortragsweise des Menschen Sprachmaterial auf seinen semantischen Bestand und auf seine kommunikative Beständigkeit hin abklopft. In diesem Moment und in diesem Sinn sind die Dichter nicht mehr allein Slam-Poeten, die die oral-verbale Akrobatik des Rhetorischen und das Sampeln aus Alltäglichkeiten professionell verstehen. Sie suchen vielmehr gekonnt poetische Sprechhaltungen auf und verwenden sie, um eine politische und kritische, eine melancholische, ironische oder subversive Teilnahme an Welt zu erproben.
So singen die Lieder und Gedichte von Aufbruch, heimat- und Idetnitätssiche, um Ankunft und Liebe, von der Kapitulation vor der Unterträglichkeit der kapitalistischen Gegenwart, von den abstrusen Facetten einer Jetztzeit und den Rührungen inniger Lebensmomente. Nicht weniger kommen gewitzte Ideologie- oder Sprachkritik, Märchen- oder Literaturmotive zum Einsatz, die souverän, manchmal scharfsinnig, manchmal leichtfüßig ins Spiel gebracht werden.