„Ist dies ein Sujet, das in einem Journale für die Kunst eine Stelle verdient?“, so ein Rezensent anlässlich der Erstveröffentlichung der Novelle 1808. Die Reaktionen von Zeitgenossen erwähnt Thomas Mann 1954: „Das Pénible und Skandalöse kann nicht mit mehr Ernst und Würde vorgetragen werden. Allein das half alles nichts, die Geschichte wurde sehr übel aufgenommen.“ Theodor Fontane bescheinigt Heinrich von Kleist 1873 „äußerste Geschicklichkeit“ und „frauenärztliche Objektivität“ und stellt fest: „Nach meinem Gefühl das Glänzendste und Vollendetste, das er geschrieben hat.“
Edith Clevers Interpretationen der Marquise sind legendär: 1976 spielte sie die Hauptrolle in Eric Rohmers Verfilmung; 1989 folgte ihr Auftritt am Hebbel-Theater in der Inszenierung von Hans Jürgen Syberberg. Einige Figuren von Kleist, zu dem Edith Clever eine besondere Nähe findet, bleiben durch ihre Interpretation unvergesslich.
In einem Interview in der Frankfurter Zeitung dieses Jahres sagt die Schauspielerin: „Mein Verhältnis zu Kleist läuft sehr stark über die Sprache. Kleist ist mir, zumindest was die Dramatik betrifft, näher als Goethe, er hat einfach diese Zartheit und den tiefen Schmerz in seinen Figuren, die, anfangs sicher in ihre Verhältnisse, in ihre Familien eingebettet, plötzlich den unbegreiflichsten Verstörungen ausgesetzt sind.“
Edith Clever wird 1940 in Wuppertal geboren. Ihre Schauspielausbildung absolviert sie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Von 1971 an wird sie zu einer der prägenden Schauspielerinnen an der Berliner Schaubühne unter Regisseuren wie Peter Stein, Luc Bondy und Klaus Michael Grüber. Mit dem Regisseur Hans-Jürgen Syberberg verbindet sie von 1984 an eine exklusive Arbeitsbeziehung in Produktionen wie dem Opernfilm „Parsifal“ und Theatermonologen wie „Die Nacht“, „Penthesilea“, „Die Marquise von O….“ Zu ihren eigenen Inszenierungen zählen die „Medeia“ von Euripides, Hofmannsthals „Elektra“, Becketts „Glückliche Tage“, Rudolf Borchardts „Der Hausbesuch“ und Einar Schleefs „Gertrud“.