Als Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien ist Lászlo Végel (* 1941) wie Danilo Kiš, Aleksandar Tišma oder Ottó Tólnai einer der großen Autoren der Vojvodina. Und wie bei Danilo Kiš stellt Novi Sad als Stadt an der Grenze zwischen Mitteleuropa und dem Balkan auch für Lászlo Végel ein Menetekel der europäischen Politik dar. Wo einst Deutsche, Ungarn, Juden, Serben, Rumänen, Slowaken zusammenlebten und eine Utopie glücklicher Diversitäten hätten begründen können, ist sie in Realität in ethnischen Hass, Vertreibung und Mord verkehrt.
Végels Selbstcharakterisierung als „heimatloser Lokalpatriot“ verlor endgültig ihre Berechtigung, als mit dem steigenden und im Krieg kollabierenden Nationalismus der letzte Rest von Zugehörigkeitsgefühl zu einem Land oder einer Gesellschaft verschwand und die prekäre Lage der Minderheiten zur aussichtslosen Situation wurde. Der „Krieg nimmt all jenen die Heimat, die nicht in diese oder jene Nationalgeschichte, in diese oder jene Gemeinschaft hineingeboren wurden. Wer aus der großen kollektiven Erzählung ausgestoßen, wer in Acht und Bann getan wurde, sich also seinen Verstand und seine Unabhängigkeit bewahrt hat, allein der besitzt noch Individualität. Doch dafür bezahlt er einen hohen Preis: Er verliert die Heimat.“
1968 erschien der Roman „Zugeständnisse einer Zuhälters“, von Aleksandar Tišma ins Serbische übertragen und 2011 auf Deutsch erschienen. Im Mittelpunkt dieses legendären Romans steht eine Gruppe junger Freunde, die sich um einige wesentlichen Dinge des Lebens kümmern: um Frauen, Alkohol und Geld. Sie lehnen die erstarrte Welt, in der sie leben, ab und begegnen der gesellschaftskonformen Betriebsamkeit mit Verweigerung.

„Ein schönes Buch, es atmet Freiheit. Ein Meilenstein für die moderne ungarische Literatur.“ (Peter Esterházy)
1958 im jugoslawischen Banat geboren, folgt Dragan Aleksić in Rückblenden und Rückblicken der Erinnerung der Zeit, als die ethnischen Uneinigkeiten Jugoslawiens noch nicht das Leben der Menschen diktierten. Wie bei Végel und Kiš, der als ein Vorbild von Dragan Aleksić gilt, ist bei dem seit 2006 in den USA lebenden Autor die Vojvodina europäisches Randgebiet der mehrsprachigen Realitäten und ungewissen oder hybriden Identitäten. Daran knüpfen sich – gebunden an Fragen nach der Herkunft – Fragen nach der Anwesenheit des Anderen in ethisch gemischten Gemeinschaften und Fragen nach der Fremdheit und Beheimatung in Sprache.
2011 erscheint bei Matthes & Seitz in Übersetzung von Mirjana und Klaus Wittmann die Sammlung „Vorvorgestern. Geschichten, die vom Glück handeln“. Die Sammlung aus 65 Kurzdarstellungen vereint immer wieder das Thema der Erinnerung an die Kindheit des Autors, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. „Es sind ergreifende kleine Episoden, die Aleksić beschreibt, vorurteils- und schmucklos, unprätentiös, doch gerade darum poetisch. Schon nach wenigen Seiten verfällt man ihrem melancholischen Zauber, der das Glück im Beiläufigen ortet.“ (Ilma Rakusa)
Mirjana und Klaus Wittmann sind eine „Institution“ der literarischen Übersetzung aus dem Serbischen, Kroatischen, Bosnischen. Mirjana Wittmann wurde 1938 in Sarajevo geboren, wuchs in Belgrad auf und absolvierte ein Sprachenstudium in Heidelberg. Klaus Wittmann wurde 1937 in Krefeld geboren und studierte Jura. Beide leben in Bonn. In diesem Jahr werden sie für ihr Gesamtwerk mit dem wichtigen Preis für herausragende Übersetzung, den Celan-Preis, ausgezeichnet.