19. Juni 2018, 18.00 Uhr
Schloss Pienzenau, Meran

Marina Zwetajewa gilt neben Anna Achmatowa als bedeutendste russische Dichterin des 20. Jahrhunderts. Uneingeschränkt in einer Unbedingtheit, maßlos in einer Empfindsamkeit, stolz selbst in der Erniedrigung und schonungslos sich selbst und dem Leben gegenüber, das eins mit dem Schreiben war – die Erfahrungen der Zwetajewa waren wie ihre Dichtung nie anders als radikal. Die Dimension der Intensität ging in ein umfangreiches lyrisches Werk voll dichter Musikalität ein, von formalen Neuerungen und Eigenarten, Dissonanzen und Diskrepanzen. Die Dringlichkeit dazu bezog die Dichterin aus einer widerspenstigen Vitalität und aus der Überzeugung, nur über das dichten zu können, was sie kannte.

Und Marina Zwetajewa kannte die tiefsten Dunkelheiten, die ein Leben bereithalten kann. 1892 geboren, erlebte sie den Wahnsinn der Revolution, Hunger und Kälte. In der Emigration in Paris, von dem sie träumte, bekam sie in den 1920er und 30er Jahren Verachtung und Feindseligkeit zu spüren und als sie voller Sehnsucht nach Russland zurückkehrte, erwartete sie dort der Schrecken, den sie nicht vorhergesehen hatte: Repressalien, Verleumdung, Krieg und Verluste. Die bejahende, nicht weniger als zähe Kraft, mit der sie dem Leben immer begegnet war, verließ sie. 1941 wählte sie den Freitod.

Ilma Rakusa macht mit einer gesammelten Werkausgabe die Literatur dieser großen Dichterin neu zugänglich. Der erste von vier Bänden gilt ihrer Prosa, in der sie auch unverkennbar Lyrikerin ist. Ob sie, wie in ihrer Tagebuchprosa, das Chaos der Revolutions- und Bürgerkriegsjahre schildert oder in ihren autobiographischen Erzählungen die verlorenen Kindheitsparadiese aufruft, immer ist die Sprache – assoziativ, lyrisch, leidenschaftlich– die eigentliche Protagonistin.

Auf Schloss Pienzenau in Meran stellt Ilma Rakusa Werk und Leben von Marina Zwetajewa vor. Mit Anja Utler, Dichterin, die über die russische Moderne promoviert hatte, führt sie ein Gespräch.

Aus dem Werk von Marina Zwetajewa liest Hanns Zischler.

BAUT EINER KEIN HAUS –

Spuckt die Erde vor ihm aus.

Baut einer kein Haus –
Wird er nie zur Erde:
Erst Stroh, dann Asche im Herde …

Ich baute kein Haus.

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