15. November 2010

Der allseits beliebte, eloquent literarisierende ungarische Autor Péter Esterházy, dessen Werk in einer Mischung von spielerischer Ironie und kritischer Schärfe Familiengeschichten als Teil der ungarischen Vergangenheit und als Teil gegenwärtiger Gesellschaftsphänomene reflektiert, stellt in Lana sein letztes Buch „Keine Kunst“ vor. Das Buch, durchaus als Roman lesbar, folgt mühelos jenen Qualitäten, die John Updike Péter Estrházy bescheinigt hat: Er erreicht eine „elektrisierende Wirkung durch die körperlichen Detailbeobachtungen, welche aus dynamischen und zugleich konkreten Sätzen wie aus einem Nebel von Gefühlsambivalenzen gleichsam hervorspringen.“

1985 hatte Esterhazy in den „Hilfsverben des Herzens“ vom Sterben seiner Mutter erzählt. Jetzt erweckt er sie wieder zum Leben. Fast jeden Tag sieht er sie, während er diese Erzählung schreibt, sie essen zu Mittag, reden. Und er erfährt neue Geschichten – über die fünfziger Jahre, über die Fußball-„Wundermannschaft“ von Bern, ihre Freundschaft mit den Fußballgöttern Hidekuti und Puskas, der ihr den Hof machte und dem es 1951 gelang, die Familie vor der Deportation zu bewahren. „Fußball ist ihr ganzes Leben, die Welt setzte sich im Kopf meiner Mutter aus den Vierecken des Fußballplatzes zusammen.“ Auf diesem Spielfeld lässt der Ich-Erzähler die uns bekannten Figuren aus seiner Familiengeschichte, Vater, Mutter, die Geschwister, auflaufen, aber in neuer Formation. Und wenn die Mutter ihm am Schluss den Text ihrer Todesanzeige diktiert hat, verlässt die Sprache das Spielfeld.

 

Worüber immer Péter Esterházy erzählt, es queren sich dabei immer kleine und große Geschichten, die das 20. Jahrhundert in seinen langen Schatten und bleibenden Spuren hervortreten lassen und immer wieder die Frage aufwerfen, wie die Sprache des 21. Jahrhunderts beschaffen sein muss als Sprache jenes Jahrhunderts, »in dem die Überlebenden des Holocaust sterben werden« und uns, die Nachgeborenen, in einem »furchteinflössenden neuen Alleinsein« zurücklassen.

In diesem Licht ist auch das Wort Imre Kertész‘ zu verstehen, wenn er meint, bei Esterházy sei »die Bedeutung der Sprache größer als die der Handlung«, die »Sprache« sei »der Protagonist« und die »Wörter die Figuren«.

 

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