Er gehörte zu den kühnsten und konsequentesten deutschen Dichtern der 1980er und 90er Jahre und rückte der Sprache heftig auf den Leib, er klopfte sie auf ihre feinsten Spuren aus Klang und Sinn hin ab.“ Überwach kehrte er hervor, was sie an historischen und ideologischen Schichtungen lagert, was sie an Rotwelsch und Slang, an Pathos und Gosse speichert oder was sie an Glibbermeer, Wespengelächter oder Nikotingardinen hör- und sichtbar macht. Wenn er seine Dichtung dabei auf die lauten wie leisen Temperaturen stimmte und auf die kleinsten Bewegungen der Sprache setzte, war immer die unstete Lust des poetischen Störenfrieds am Werk, die Sprache neu erfahrbar machte.
Vor 10 Jahren ist Thomas Kling mit nur 47 Jahren verstorben. In Erinnerung an den Dichter, der oft Gast der Bücherwürmer war, ist ihm ein Abend in Lana gewidmet.
Zum ersten Mal wird dabei die eben erschienene Hörbuchedition „Die gebrannte Performance“, herausgegeben von Ulrike Janssen und Norbert Wehr, präsentiert. Die sorgsam und reichhaltig angelegte Sammlung zeigt Lesungen und Gespräche, die erkennen lassen, wie sehr der Dichter aus Düsseldorf den oralen Wurzeln der Poesie folgte, dem Sprach- und Stimmkörper, dem Sprachmaterial aus Rhythmus und Klang. Legendär sind seine Auftritte und explosiv seine experimentell erprobten Sprachinstallationen: Sie inszenierten das gesprochene Wort als performatives Ereignis und poetisches Moment. Dabei kehrten sie jene Reibung hervor, die im Wort zwischen dem geschichtet gespeicherten Sprachsinn und seiner sinnlichen Darstellung stattfindet.
In seiner unbedingten Spracharbeit war Thomas Kling Traditionalist und als Traditionalist war er Provokateur. Wie er die Sprache als historischen Speicher erkundete und sie in ihren Schichten querte, wie er sie in ihren Ablagerungen und Verschiebungen aufsuchte und darin poetisch neu schnitt, wie er von literarischer Kunst die Kenntnis und Präzision der Sprache einforderte und daraus die poetische Verve bezog, das zeichnete seine Haltung zu Sprache und Welt. Kaum einer von den zeitgenössischen deutschen Dichtern ist Thomas Kling darin näher als Marcel Beyer und Oswald Egger. Unermüdlich schöpft Oswald Egger poetische Landschaften und eine „poetische Grammatik des Unvordenklichen“ aus den Substraten der Sprache und bringt sie zum Glühen, macht sie zum Vergnügen des Hörens und zum Erkunden der Erkenntnis. Nicht anders Marcel Beyer. „Denkwerkzeuge“ nennt er die Gedichte in ihrer Fähigkeit, sprachliche und politische Verhältnisse auf ihre Unterschiede hin zu untersuchen und also in ihrer Fähigkeit, das Urteil der Unterscheidung zu erproben.