Als im November 2016 Ilse Aichinger starb, verschied damit eine Autorin, die ein Leben lang die Nähe zum eigenen Verschwinden gehütet hat, als wäre es die unaufhörliche Einübung in den Abschied. Oder erst die Erprobung der Existenz. Darin präzisierte Ilse Aichinger eine Haltung des Schweigens und der Diskretion, die so wenig ein Verstummen war wie ein Versagen des Sagbaren. In der Zeit des Krieges hielt sie sich mit ihrer jüdischen Mutter jahrelang versteckt, während die Großmutter und Muttergeschwister in den Konzentrationslagern starben. Aichingers Schwester konnte nach England fliehen. Diese Erfahrung und die wachsame Beobachtung der Zeitgeschichte verpflichteten die Autorin, die anarchistisch einen Zorn über die Welt pflegte, zu einer Dringlichkeit des genauen Sagens und einer Erzählung des lautlosen Zuhörens und Zuschauens.
An Ilse Aichinger und ihr Werk wollen wir in einer langen Nacht der gemeinsamen Lektüren, Kommentare und Gespräche im „Schraderhaus“ erinnern, mit literarischen und kritischen Beiträgen von Elke Erb, Hannah Markus, Theresia Prammer, Marion Poschmann, Monika Rinck, Daniela Strigl, Christine Vescoli, Reto Zieger und anderen.
Die Veranstaltung ist gefördert vom Österreichischen Kulturforum.
Der zweite Teil der Hommage, die zusammen mit dem Berliner Salon Attico veranstaltet wird, findet am 24. und 25. Mai im Filmclub Bozen mit Lektüren, Gesprächen, Referenzen und einem Filmabend statt. Beiträge von Helmut Böttiger, Josef Oberhollenzer, Marlene Streeruwitz, Josef Winkler u.a.